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filmsociety: GEISTERKINOS ZEIGEN GEISTERFILME

filmsociety: GEISTERKINOS ZEIGEN GEISTERFILME

 

Liebe Mitglieder der filmsociety,
liebe Freunde des KunstSalon,
liebe Cineasten,

auf den ersten Blick scheint durch die Corona Krise vieles stillzustehen – so auch die Kultur. Das gilt für alle Kulturbereiche – auch für den Film und das Kino. Doch im Kleinen zeigt sich eine große und lebendige Kreativität im Umgang mit der Krise.

Als die Veranstaltungsverbote am 16. März in Kraft traten, hat das nicht nur meine Tätigkeit als Filmkritiker direkt drastisch betroffen, sondern auch meine Tätigkeit als Programmleiter der filmsociety. Bis dahin hatten wir im KunstSalon noch gehofft, in irgendeiner Form die für den 22. März geplante Preview von Christian Petzold in Anwesenheit des Regisseurs und der Hauptdarstellerin Paula Beer im Weisshaus Kino durchführen zu können. Aktuell wäre das undenkbar, aber Mitte März war die Welt eben noch eine andere. Geschlossene Kinos waren kaum vorstellbar, und in den Monaten davor lief es für die filmsociety richtig gut: Ende 2019 hatten wir Jan-Ole Gerster und Corinna Harfouch für die Preview von „Lara“ im Ausverkauften Off Broadway zu Gast. Schweren Herzens mussten wir sogar ein paar Gäste ohne Platzreservierung nach Hause schicken. Von solchen Problemen können wir aktuell nur träumen. Anfang Januar sah es bei der Preview von „Das Vorspiel“ in Anwesenheit der Regisseurin Ina Weisse und der Hauptdarstellerin Nina Hoss im Odeon ähnlich aus. Und noch im Februar feierten wir das Rendezvous mit dem Regisseur Andreas Dresen im dicht gefüllten KunstSalon, wo wir im Werkstattgespräch seinen inspirierenden, gut gelaunten und intelligenten Einblick in seine sehr humanistische Arbeit erlebten. Dass Sturm Sabine im Vorfeld die Durchführung der Veranstaltung ernsthaft zu bedrohen schien – heute kann man das kaum noch glauben.     

Inzwischen stellt sich eine Sehnsucht nach dem Gemeinschaftserlebnis Kino ein. Wie gerne würden wir schon bald wieder eine Preview feiern und gemeinsam mit den Filmemachern diskutieren! Die Medienproduktion S&L hat die Corona-Krise zum Anlass genommen, eine Online-Umfrage zu dem Thema „Sehnsucht Kino“ zu starten. Von den dort befragten Kinogängern wollen nach der Krise 93% wieder ins Kino gehen. Ob bei den restlichen 7% der Schock so tief sitzt … wir wissen es nicht. Hoffentlich haben sie sich in der Zeit nicht allzu sehr an die Streamingdienste gewöhnt, denn aktuell sind Netflix, Amazon Prime und Disney+ die Gewinner der Branche. Das Gemeinschaftserlebnis Kino können sie aber nicht ersetzen. Die Kinos müssen indes die Zeit bis zu einer möglichen Wiedereröffnung überleben. Bei den Kinomachern zeigt sich da große Kreativität: Im Weisshaus wird samstagnachmittags Popcorn verkauft und man kann Kinogutscheine erwerben. Es sind auch solche kleinen Aktionen, die aktuell den Kinos in der Krise helfen.

Wann wir endlich wieder auch Filme im Kino genießen können, ist allerdings noch völlig unklar. Die Verbände der Kinobetreiber haben gerade einen Hygieneplan ausgearbeitet, der eine risikolose Durchführung von Vorstellungen ermöglichen soll. Und die Filmverleiher stellen aktuelle Filme, deren Start durch den Shutdown be- oder verhindert wurden zu besonderen Konditionen zur Verfügung, so dass auch eine Vorstellung mit halb gefülltem Saal rentabel sein könnte. Die Verantwortlichen der Branche hoffen zwar auf eine Eröffnung Anfang Juli, wahrscheinlich ist das aktuell aber nicht. Tatsächlich wird das Thema Kino in der Politik aktuell gar nicht diskutiert. Aber auch wenn die Kinos zu dem Zeitpunkt tatsächlich öffnen könnten, käme ein zweiter Faktor erschwerend hinzu: Ein heißer Sommer wie in den letzten Jahren, wie er sich gerade ankündigt, kann sicher nicht die Verluste des Frühlings kompensieren.  

Weisshaus und Off Broadway haben eine weitere ungewöhnliche Aktion gestartet: Sie zeigen trotz des Verbots einen ‚Film‘. Und zwar einen Geisterfilm, den man nicht sehen kann. Weder gibt es die Dokumentarfilme „Cinemaniacs retten das Off“ und „Das Weisshaus Kino wird gerettet“, noch wird echtes Publikum bei den Vorführungen erwartet. Aber Soli-Tickets kann man für die ‚Aufführung‘ auf den Webseiten der beiden Kinos erwerben. Die Erlöse kommen den beiden Kölner Kinos zugute und jeweils einem italienischen und einem spanischen Partnerkino. Denn das darf man bei all dem nicht vergessen: Anderen geht es in der Krise noch viel schlechter. 

Mit cineastischen Grüßen

Christian Meyer-Pröpstl
(Programmleitung der filmsociety im KunstSalon)

Foto: Christian Meyer-Pröpstl

 

Das Kölner Off Broadway appeliert in der Zwangspause mit Zeilen aus einem Gedicht des türkischen Lyrikers Nâzım Hikmet an unseren Zusammenhalt

 

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