Frida Mirzaie, Schülerin, 14 Jahre alt, hat in ihrem dreiwöchigen Schulpraktikum im KunstSalon ein Interview mit Klaus dem Geiger, dem Leiter des KunstSalon-Orchesters, in einem Café in der Südstadt geführt.
Viele kennen Sie als Straßenmusiker in Köln und woanders. Dabei stammen Sie aus einem Adelsgeschlecht und haben als klassischer Geiger begonnen. Warum haben Sie sich eigentlich für die Violine entschieden?
Meine Mutter entschied sich, als ich etwa sieben oder acht Jahre alt war, mir eine Geige und eine Lehrerin zu schenken. Ich begann dann mit dem Geigenspiel, allerdings zunächst ohne große Begeisterung, die sich erst später entwickelte.
Eine Frage, die Sie sicher schon tausendmal gehört haben: Was hat Sie bewogen, Straßenmusiker zu werden?
Ich wurde Straßenmusiker, weil meine Lebensumstände und persönliche Entwicklung mich dorthin führten. Durch häufige Umzüge in meiner Kindheit wurde meine Perspektive geprägt. Nach meiner musikalischen Ausbildung, Erfahrungen in den USA und politischen Engagement in den 1960ern, erkannte ich, dass Geldverdienen für mich nicht mehr im Vordergrund stand. Stattdessen wollte ich Musik im Einklang mit meinen Überzeugungen machen, was mich letztlich zur Straßenmusik führte.
Was gefällt Ihnen denn an der Stadt Köln? Warum musizieren Sie besonders hier und nicht etwa in New York oder Paris?
Köln hat für mich eine besondere Bedeutung, weil die Stadt eine entscheidende Rolle in meiner musikalischen Entwicklung gespielt hat. Hier habe ich mein Musikstudium begonnen und verschiedene Lehrer kennengelernt, darunter auch Stockhausen, der mich stark beeinflusst hat. Köln ist für mich eine kreative Umgebung, die mich inspiriert und mir die Möglichkeit gegeben hat, meine musikalischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln.
Im Vergleich zu Städten wie New York oder Paris zieht es mich immer wieder nach Köln, weil ich hier eine tiefe Verbindung zu meiner persönlichen Geschichte und meiner musikalischen Identität habe. Ich hatte hier eine Pflegemutter und bin in dieser Stadt aufgewachsen, was mir eine besondere Bindung zu Köln gibt.
Für mich ist Köln nicht nur ein Ort der Musik, sondern auch ein wichtiger Teil meines Lebens, der meine Entscheidung, hier zu musizieren, maßgeblich beeinflusst.
Was sind Ihre wichtigsten Anliegen und Inhalte?
Für mich ist Musik weit mehr als nur ein Beruf – sie ist ein Ausdruck meiner Identität und meiner Überzeugungen. Meine wichtigsten Anliegen sind eng mit meinen persönlichen Erfahrungen und meiner Entwicklung verbunden. Ich sehe es als meine Aufgabe, durch meine Musik gesellschaftliche Themen anzusprechen und eine echte Verbindung zu den Menschen herzustellen. Musik ist für mich ein kraftvolles Mittel, um auf soziale und politische Missstände aufmerksam zu machen und eine klare Botschaft zu vermitteln.
Besonders prägend für meine Arbeit war die Zeit des Vietnamkriegs und der sozialen Bewegungen in den USA. Diese Erfahrungen haben mir die politische Dimension der Musik offenbart. Meine Überzeugungen und der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit fließen in jede meiner musikalischen Aussagen ein und sind ein zentraler Bestandteil meiner künstlerischen Arbeit.
Hat sich im Laufe der Jahrzehnte etwas daran geändert? Hat sich der Akzent verschoben?
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich bei mir tatsächlich einiges verändert, vor allem in Bezug auf meine musikalischen Schwerpunkte und Themen, die ich anspreche. Früher war ich tief in der klassischen Musik verwurzelt, begann meine Laufbahn als klassischer Geiger. Doch mit der Zeit hat sich mein Fokus verschoben – hin zu neuer Musik und experimentellen Klängen, die oft als “das Zeug, was man nicht so gerne hört” beschrieben werden. Das war für mich eine bewusste Entscheidung, mich von konventionellen Wegen zu lösen und neue musikalische Ausdrucksformen zu erforschen.
Auch mein politisches Engagement hat sich im Laufe der Jahre intensiviert. Die prägenden Erfahrungen während des Vietnamkriegs und die sozialen Bewegungen in den USA haben mich dazu gebracht, meine Musik als Mittel zu nutzen, um auf soziale und politische Missstände aufmerksam zu machen.
Was mich persönlich wundert: Es geht Ihnen ja auch stets um die Friedensbewegung. Aber Ihre Art zu spielen, die wirkt sehr aggressiv. Ist das Wut?
Meine aggressive Spielweise wird oft missverstanden. Es geht mir dabei nicht um Wut, sondern um die Intensität, mit der ich meine tiefen Emotionen und politischen Überzeugungen ausdrücke. Für mich ist Musik ein starkes Mittel, um auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen und die Notwendigkeit für Veränderung zu verdeutlichen. Diese Dringlichkeit, vor allem in Bezug auf Frieden und soziale Gerechtigkeit, fließt direkt in die Energie meines Spiels ein.
Mein Engagement für die Friedensbewegung und die Aggressivität in meiner Musik widersprechen sich nicht, sondern ergänzen sich vielmehr. Diese Intensität ist eine kathartische Reaktion auf die Ungerechtigkeiten der Welt – eine Art, meinen inneren Druck loszulassen und gleichzeitig ein kraftvolles Zeichen des Widerstands zu setzen.
Welche besondere Atmosphäre entfaltet sich, wenn man auf der Straße Musik macht, im Gegensatz zu Auftritten in Konzertsälen?
Die Atmosphäre beim Musizieren auf der Straße ist für mich etwas ganz Besonderes. Es entsteht eine unmittelbare Verbindung zum Publikum, die man in Konzertsälen so nicht erlebt. Menschen kommen zufällig vorbei, bleiben stehen, lauschen und reagieren spontan auf die Musik. Diese Direktheit schafft eine lebendige und dynamische Energie, die in einem formellen Konzertsaal fehlt.
Im Konzertsaal ist alles geplanter und strukturierter. Die Zuhörer kommen gezielt, um ein bestimmtes Programm zu hören, und die Erwartungen sind anders.
Wie kommt es eigentlich, dass man Sie nun häufiger auch in Sälen und auf Bühnen antrifft?
Im Laufe meiner Karriere habe ich mich zunehmend auf Auftritte in Sälen und auf Bühnen konzentriert, was aus verschiedenen Gründen geschah. Einerseits hat meine musikalische Ausbildung und meine Arbeit als Komponist und Interpret mir die Möglichkeit eröffnet, in formelleren Rahmenbedingungen aufzutreten. Diese Entwicklung war ein natürlicher Schritt, nachdem ich mich musikalisch weiter entfaltet habe.
Ein weiterer Faktor ist sicherlich die wachsende Fangemeinde, die ich als Straßenmusiker aufgebaut habe. Diese Unterstützung hat mir Türen zu größeren Veranstaltungsorten geöffnet, in denen ich meine Musik einem noch breiteren Publikum präsentieren kann.
Mein musikalischer Stil hat sich im Laufe der Zeit ebenfalls verändert und weiterentwickelt, was mich für Veranstalter und Programme interessanter gemacht hat. All diese Elemente zusammen haben dazu geführt, dass ich nun häufiger in Konzertsälen und auf Bühnen spiele.
Das führt mich zu der Frage: Ist Straßenmusik eher eine Kunst oder eine Botschaft?
Straßenmusik kann sowohl als Kunst als auch als Botschaft betrachtet werden. Der Musiker sieht in der Straßenmusik eine Möglichkeit, seine künstlerischen Fähigkeiten auszudrücken und gleichzeitig gesellschaftliche Themen anzusprechen. Diese Form der Musik ermöglicht es ihm, direkt mit dem Publikum zu interagieren und eine unmittelbare Verbindung herzustellen, was oft als eine Art Botschaft wahrgenommen wird.
Die Kunst der Straßenmusik liegt in der Fähigkeit, Emotionen und Geschichten durch Musik zu vermitteln, während die Botschaft oft in den Themen und Inhalten der Musik selbst verankert ist. Der Musiker betont, dass seine musikalischen Aussagen oft auch politische und soziale Dimensionen haben, die er durch seine Darbietungen kommunizieren möchte.