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Rückblick Forum Kultur: »Wie frei ist die Kunst«?

Rückblick Forum Kultur: »Wie frei ist die Kunst«?

Am vergangenen Mittwoch hatten wir die Ehre, drei besondere Gäste zum Gespräch bei uns im KunstSalon zu begrüßen; drei Stimmen, die einiges zum Thema beizutragen hatten: die Fotografin Selina Pfrüner, den Intendanten des Schauspiel Köln, Stefan Bachmann, und den Verfasser des Buches: „Wie frei ist die Kunst“, den stellvertretenden Feuilletonchef der ZEIT, Hanno Rauterberg. Das Gespräch wurde moderiert von Jörg Biesler.

Laut Artikel 5 des Grundgesetzes ist die Kunst frei. Dennoch werden Künstler im Netz und im öffentlichen Leben an den Pranger gestellt, sobald Betrachter sich persönlich durch ihr Werk benachteiligt, falsch oder nicht vertreten oder auf andere Weise verletzt sehen. Sah man es jahrzehntelang als eine der wichtigsten Errungenschaften an, dass die Kunstfreiheit zu unseren demokratischen Grundrechten gehört, und damit auch provozieren darf, scheint dies derzeit bei manchen auf großen Widerspruch zu stoßen. Durch die Möglichkeiten des Internets, der sozialen Medien, bekommen die Protestierenden schnell weitreichende Aufmerksamkeit. Was die Kunst darf und was nicht ist wieder ein Thema – das Selbstverständnis der Kunstfreiheit scheint von einigen zumindest nicht mehr voll anerkannt.

Alleine die Tatsache, dass unter dem Titel „Wie frei ist die Kunst“ geladen wird und man zusammensitzt, um darüber zu diskutieren, sei bemerkenswert, so zu Beginn des Gesprächs Stefan Bachmann. Auch er denke heute mehr als noch vor ein paar Jahren beispielsweise über Rollenbesetzungen nach. Aber natürlich gelte grundsätzlich: Jede*r sollte alles spielen dürfen, unabhängig von Geschlecht oder Hautfarbe.
Dass Kunst für politische Zwecke instrumentalisiert werden kann, hat die Fotografin Selina Pfrüner erlebt: Ihre Ausstellung „Munaqabba – über Frauen in Vollverschleierung in Deutschland“, die im Sommer im Atelierzentrum Ehrenfeld stattfand, wurde insbesondere durch die Reaktionen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Ihre Auseinandersetzung mit in Deutschland lebenden Frauen, die sich freiwillig verschleiern, sprach ironischerweise eine Komponente des sozialen Miteinanders an – Interesse wecken, Zuhören, die Menschen hinter der Maske begreifen – die teilweise das genaue Gegenteil auslöste und eine politische Debatte von Seiten protestierender Frauen vom Zaun brach, die sich mit den Inhalten der Ausstellung vorher gar nicht auseinandergesetzt hatten. Ihr Vorwurf: Verschleierung – ein Symbol der politischen Unterdrückung in patriarchalischen islamischen Ländern – werde hier verharmlost, ja, sogar propagiert und unreflektiert dargestellt.

Wie mit solchen Reaktionen umgehen, wenn der vermeintliche Anspruch der Gegenstimmen ist, jeden Aspekt des komplexen Themas zu bearbeiten oder gar keinen davon?
Künstlerische Herangehensweisen an ein schwieriges Thema, ohne sich im Vorhinein mit ihnen beschäftigt zu haben, für eigene politische Anliegen zu instrumentalisieren, kann keine Lösung sein. Und doch haben auch die Gegenstimmen das gleiche Recht, ihre Meinung zu äußern.
Ihr Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Selina Pfrüner räumt ein, sie überlege sich aufgrund ihrer Erfahrungen sicherlich sehr gründlich, mit welchen Themen sie sich zukünftig beschäftige.

Auch mit der Diskussionsrunde konnte keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben; das Gespräch hätte noch stundenlang fortgeführt werden können. Worauf sich alle einigen konnten: Es braucht eine Gesprächskultur über Kunst und Kultur, die sich von der Polemik oder undifferenzierten Kommentaren, wie sie mitunter im Netz kursieren, abgrenzt. Die eher dazu verleitet, erst einmal nachzufragen, bevor man die Stimme erhebt. An künstlerischer Bildung in den Schulen als Basis für die Lust an der Auseinandersetzung mit der Kunst, fehle es gewiss auch.
Und wenn gar nichts mehr hilft: Freiheit in Kunst wie in der Meinungsäußerung bedeutet auch die Freiheit, Kunst, in welcher Form auch immer, bei Missfallen zu tolerieren, und insbesondere zu akzeptieren, wenn etwas nicht gleich begreifbar ist. Denn, so Bachmann, „Es gibt nichts Schöneres, als etwas nicht zu verstehen.“

WDR3 hat die Diskussion aufgezeichnet, der Sendetermin wird noch bekannt gegeben.

Fotos: Adam Kroll

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